Donnerstag, 18. Februar 2021

Schuster, bleib bei deinem Leisten

 



Throwback 2009: Frisch aus Spanien zurückgekommen, im ersten Semester als Studentin an der HHU in Düsseldorf, beim Bildungsstreik, im Interview für die Rheinische Post ☺️ Damals noch Parteimitglied ("Die Linke") und voll motiviert, die Welt zu verändern, ganz getreu dem Motto (siehe Hintergrund): "Wir lassen uns nicht verarschen" ! 😄
Respekt an alle, die heute irgendwie Awareness schaffen, ohne andauernd die sozialen Netzwerke mit ihren pseudo-intellektuellen Weisheiten und Rumgemecker vollzuspamen, um so ihre Missgunst über das, was ihnen nicht passt, wie kleine Kinder in die Welt zu schreien. Nicht der, der am lautesten schreit, hat recht, auch nicht der, der mit seiner Ignoranz, andere als "dumm" oder "unwissend" betitelt, selbst aber meint, den vollkommenen Durchblick zu haben. Denn sind wir mal ganz ehrlich: wer hat das schon?
Heutzutage meint jeder Depp mit Internetzugang, er wüsste mehr über das Metier von promovierten Akademikern. Schuster, bleib bei deinem Leisten. Ich, als studierte Philologin, kann doch auch nicht annähernd wissen, wie der Corona-Impfstoff funktioniert, weil das 1. nicht mein Berufsfeld ist und 2. weil ein paar von mir gelesene Artikel über mRNA oder den Impfstoff mich nicht zum Insider machen und 3. nur weil ich Biologie als 3. Abifach hatte, natürlich nicht ein Master of Science bin! 😅

Sicherlich kann man ein hohes Maß an Allgemeinbildung haben und man kann vieles über Dinge wissen, die man sich nicht auf beruflichen Wege angeeignet hat - aber in welchem Rahmen? Gerade, wenn es um sehr Komplexe Themenbereiche wie Naturwissenschaften, Jura etc. geht ist das nicht mal eben getan, wenn man sich irgendwo informiert. Wenn ich mir rückblickend Biologie, Mathematik oder Chemie in der Oberstufe anschaue, ist mir nicht nach Lachen zu Mute! Das, was für mich damals die Hölle war, ist für diese Wissenschaftler sogar nur Basiswissen - wenn überhaupt. Wie für mich halt ein: "Hola, ¿qué tal?"
Ich würde einem Tätowierer schließlich auch nicht sagen, wie tief er die Nadel in die Haut stechen muss, nur weil ich mal ein Youtube Video über's Tätowieren gesehen habe. Würdest du einen Text, den du übersetzt haben möchtest in Spanisch also lieber mir oder einem Chemielaboranten
geben? Warum denken also viele, sie hätten den Durchblick bei Corona oder der Impfung?

Sicherlich ist es wichtig, eine Meinung zu haben, nur haben manche ein bisschen zu viel davon. Mein Ansatz ist also lediglich, dass man manchmal den Ball etwas flach halten sollte. Auch Wissenschaftler sind nur Menschen, genauso wie Politiker. Und ja, die können Fehler machen. Aber die Leute, die geschockt über die Leichenberge in Italien waren, sind jetzt abgefuckt, dass wir im Lockdown sind. Nun ja, keine Leichenberge ohne Lockdown geht halt irgendwie nicht. Ich möchte mit diesem Artikel auch nicht aufzählen, was mir an den Corona Maßnahmen missfällt und was nicht. Es geht in erster Linie gar nicht darum, sondern um das Miteinander der Menschen heutzutage. Unsere Generation nimmt Medikamente, schnieft Nasen durch versiffte Geldscheine mit chemieverseuchten Kokain, schmeißt sich unkontrollierte Ecstasy Pillen auf Raves wie Smarties ein, säuft sich ins Delirium, aber jetzt in der Corona-Isolation drehen wir wegen jedem Scheiß am Kabel? Und ja, Leute, wisst ihr was, es ist okay gestresst zu sein und mit der jetzigen Situation nicht klar zu kommen! Habe ich Angst vor der Impfung? Ehrlich gesagt: Ja! Habe ich Angst vor Corona: Ja! Und nun? Bin ich für eine Impflicht? Nein. Aber vielleicht bin ich es morgen ja doch! Und warum? Weil ich keinen Plan habe von dem Thema, egal wie viele Artikel ich lesen mag. Genauso wie der Großteil der Bevölkerung. Aber immerhin stehe ich dazu.

Und wir schon bei Bekenntnissen sind: Vielleicht wäre sinnvoll, einfach dazu zustehen, dass man Angst hat? Wenn ich denke, dass der Impfstoff mich killen könnte und mein Erbgut verändern könnte, steckt dahinter ANGST. Wenn ich bedenken habe, dass die Regierung mir diese möglicherweise toxische Impfung aufzwingt, dann steckt dahinter ANGST. Wenn ich befürchte, dass die Regierung, Gesetzte erlässt, die mich noch mehr in meiner Freiheit einschränken, dann habe ich ANGST vor diesen Ereignissen. Angst ist ein scheiß Gefühl. Es geht hier um Kontrollverlust und die damit resultierende Hilflosigkeit. Angst macht Panik. Und wer kann es den Menschen verübeln, dass sie während einer Pandemie Angst haben? Angst vor Covid-19, Angst um die eigene Gesundheit, um seine Verwandten und Freunde, Angst um seine Existenz; Angst, in seiner Freiheit eingeschränkt zu werden, ja, vielleicht haben manche sogar abstruse Angst vor Verhältnissen wie in der NS-Zeit.
Ich kenne viele Leute, die momentan psychisch sehr leiden. Leider switcht diese Angst, die einige nicht zugeben wollen, dann in Wut um. Wut gegen die Regierung beispielsweise. Getreu dem Motto: "Irgendwer muss ja Schuld sein". Feindbilder erleichtern, sie geben uns das Gefühl wieder Kontrolle zu erlangen. Ich gegen die (da oben). Wenn die eliminiert sind, dann geht es mir wieder gut. Pustekuchen! Man kann es unmöglich jedem Menschen, jedem Bürger, egal welchen Landes, recht machen. Auch nicht mit direkten Volksabstimmungen. Es wir immer einen geben, der mit der Entscheidung unglücklich ist.
Ich habe in Spanien gewohnt, meine Familie kommt ursprünglich aus Polen. Ich würde in Spanien auf Grund von der Jobsituation oder in Polen auf Grund der abartigen Pis Partei nicht leben wollen. In anderen Ländern läuft es noch viel heftiger ab, Coronahilfen gibt es oft GAR NICHT. Dies soll natürlich nicht heißen, dass man die Lage hier nicht kritisieren darf. Aber dieses permanente Regierungsbashing von Leuten, die gerade nicht ihre Existenz oder ihre Verwandten verlieren, sondern nur weil sie mal bisschen zuhause bleiben müssen oder eine Maske aufziehen müssen, ist doch einfach sowas von "First World Problem" und lame 😴
Ich persönlich habe natürlich zu jedem Scheiß auch eine Meinung, jedoch habe ich es nicht nötig, Menschen, die zu bestimmten Themen andere Einstellungen haben, auf persönlicher Ebene dafür zu degradieren. Ich brauche auch nicht in jede Diskussion einsteigen, jeden Kommentar kritisieren, mich mit Leuten 24/7 fetzen - dafür habe ich auch als erwerbstätiger Mensch mit Hobbies und Interessen sowieso gar keine Zeit. Chapeau jedoch an die, die den Internet Trolls dann doch ab und zu Paroli bieten, auch wenn es leider nichts bringt.
Es ist wunderschön, sich mit Leuten auszutauschen und es ist toll, dass es Meinungsfreiheit gibt und jeder sagen kann, was er möchte. Nur hat nicht jeder das Bedürfnis und vielleicht auch nicht die Motivation, immer gegen Windmühlen zu kämpfen; gegen Leute, die keine andere Meinung akzeptieren. Leute, die bei nicht gemeinsamen Konsens oder Unwissenheit ihre Wut gegen einen richten. Leute, die groß predigen, man solle sich á la Immanuel Kant seines eigenen Verstandes bedienen, jedoch keine andere Meinung außer der ihrer akzeptieren. Ist schon ein Widerspruch, oder? "Ey, bedien' dich mal deinen eigenen Verstandes und komm aus deiner selbstverschuldeten Unmündigkeit raus! ... Das ist deine Meinung? Nee, aber nicht so! So wie ich das sage, so ist richtig!" 😆
Es sind auch dieselben, die predigen, wir sollten nicht glauben, was die "bösen Medien" schreiben - außer natürlich sie schreiben etwas, was deren Meinung unterstützt. Dann wird fleißig reposted und zitiert. Das hat Ken Jebsen, der Vogel, auch in seinem lächerlichen Video gemacht. Er erzählt gern, wie schlimm Bill Gates und die Medien seien, um dann Quellenverweise von Spiegel und Co. zu nennen, um seine Sichtweise zu unterstützen. Paradox.
Anscheinend haben momentan vor allem Männer das Bedürfnis andere zu belehren:
"Besonders anfällig für Verschwörungstheorien seien Menschen, die schlecht mit Unsicherheit und Ambivalenz umgehen können. „Es betrifft auch eher Männer als Frauen. Ich denke, dass das sehr viel mit der Krise der Männlichkeit zu tun hat, und dass es in gewisser Weise auch Parallelen gibt dazu, dass Männer eher bereit sind, radikale und extremistische Parteien zu wählen.“ Für Männer sei es viel schwerer zu akzeptieren, dass sie gewissen Dinge nicht verstehen können."
Des Öfteren habe ich es mit Mansplaining zu tun (vor allem bei Instagram ist der Wunsch, mir die Welt zu erklären, richtig groß😴). Ich weiß nicht, ob ich es als Kompliment sehen soll, aber bei mir suchen einige anscheinend ihre Validierung. Ist es also Anerkennung, weil ich als intellektuelle Person geschätzt werde? Wenn du das liest, und denkst: "Pff, nee!", dann frage dich selber: Warum triggert dich die Meinung einer Gabriele Z. aus Solingen dann so? Wahrscheinlich wirst du hier nicht ehrlich sein, wenn du ein "cooler Typ" sein willst. Toxic Masculinity ist aber noch mal ein Thema für sich. 😉 Immer noch fühlen sich einige eingeschüchtert, wenn eine Frau etwas auf dem Kasten hat. Anscheinend wirkt das wie eine Gefahr, eine Bedrohung und die kann man am besten loswerden, indem man sie degradiert? Seek therapy! Nun, ich werde mich niemals kleiner machen als ich bin, damit es deinem Ego besser geht. NO WAY. Deal with it. (Oh ja, ich liebe Anglizismen 😇)

Ich hatte bereits auf meinem Blog über den steigenden Hass im Internet und speziell in den sozialen Netzwerken berichtet. Gerade wenn während einer Pandemie NS-Vergleiche gezogen werden, hört bei mir der Spaß auf. Wie viele Millionen Menschen sind durch Hitlers, ich zitiere "totalen Krieg" gestorben? Bewusst und systematisch, voller Groll und Hass ermordet. Als respektlos sehe ich diese Art von Relativierung. Vielleicht ist dies auch das Problem: Die Schulzeit ist schon echt lange her. Nicht jeder erinnert sich an den Geschichtsunterricht - Okay. Es mag auch nicht jeder ein Bücherwurm sein - Okay. Jedoch kann man sich stattdessen Dokumentationen anschauen. Ich zweifle ernsthaft, an der Bildung und am menschlichen Verstand der Personen, die vollgefressen auf ihren Sofas hängen, mit ihren Laptops, TVs, Smartphones, in die Tasten hauend, dass unsere Verhältnisse oder die Aussagen von Politikern Adolf-like seien. Bei der AFD, ja, aber bei den anderen? Wo waren diese Leute, die jetzt in die Tasten hauen, als die AFD uns Jahre lang ihre Drecksrhetorik zugeworfen hat? Ach. Das betraaaaaf diese Leute ja gar nicht, na dann, ist ja alles gut! *irony off*. Apropos, Rhetorik. Was ich beobachte, ist eine sich dahinbewegende Rhetorik, die weg geht von der Aufzählung von Argumenten, um so seinen Standpunkt zu erläutern, sondern dahinzielend in diese Richtung geht: "Ich habe recht", "Haha, jetzt ist es doch dazu gekommen, was ich euch eh schon ganze zeit gesagt habe!" bis zu "Ihr wollt ja nicht verstehen." Ganz klarer Fall von Othering. Ein bewusstes Abgrenzen, ein Schaffen von "ich gegen die anderen". Ebenso fragwürdig wie Aussagen: "Ich bin ja kein Nazi, aber..." oder "Ich bin kein Verschwörungstheoretiker, aber..". In diesem Moment sucht man eine Rechtfertigung. Die Frage ist nur vor wem? Vor sich selber? Wie weit geht in diesem Punkt die Selbstreflektion bzw. in wie fern sucht man doch die Bestätigung der anderen, dass man dies wirklich nicht sei? Und natürlich ist nicht jeder, der die Corona Maßnahmen kritisiert ein Aluhut-Träger. Das sollte jedem Menschen mit ein bisschen IQ auch klar sein.

Ich habe viel über das Löschen von Personen in sozialen Netzwerken nachgedacht. Einen von der Fraktion Aluhut habe ich tatsächlich aus meiner Facebook Liste gelöscht. Ein Esoteriker, der nach Berlin auf die "Corona Demo" gefahren ist und von "purer Liebe" dort faselte, Trump feiert und einfach alles mit seinem Pseudo Hippie Gelaber verschlimmerte. Jedoch, finde ich, unter'm Strich, das Löschen von anderen nicht immer sinnvoll. Es ist wichtig, sich auch andere Meinungen anzuschauen, nicht in seiner Bubble zu leben, denn dort kann es ganz schnell eng werden, wenn man die Augen nicht mehr offen hält. Man baut sich die Welt dann halt, wie sie einem gefällt und bleibt beschränkt, so sehr möglicherweise, bis man andere Meinungen gar nicht mehr anerkennt und in seinem Mikrokosmos verödet. Plus: trägt man so nur zur Spaltung der Gesellschaft bei.
Shoutout an alle also, die auf die Straße gehen (so fern es geht momentan), spenden und sich irgendwie wirklich engagieren und was zu sagen haben. Ich lese auch viele interessante Postings von Leuten aus meiner Freundesliste auf Facebook und gehe in den Diskurs, aber halt nicht immer. Instagram ist übrigens auch eine Plattform, auf der man viele Infos von Aktivisten oder Bloggern bekommt. Man muss Social Media halt clever nutzen. Die Verblödung liegt in den eigenen Händen, wie beim Fernsehen. Schaue ich RTL2 oder schaue ich Arte. It's your choice. Natürlich frage ich mich, was in den letzten Jahren passiert ist, wenn ich das Bild der streikenden Gabi von 2009 sehe. Sicherlich sind einige persönliche Krisen passiert, die mich gebremst haben, weshalb ich auch weniger schreibe. Wer mir jedoch auf Instagram folgt, weiß, dass ich neben den unzähligen, super lustigen (🤣) Memes in meinen Stories, auch versuche wenigstens etwas Awareness zu schaffen, sei es zu politischen Themen, Rassismus oder natürlich Feminismus. Immer denke ich, ich müsste noch mehr tun. Trotzdem möchte ich hierbei nie anmaßend sein, nicht befehlen, nicht anderen meine Meinung aufzwingen. Denn das, meine Freunde, funktioniert so oder so nicht. Entweder man überzeugt Menschen mit Argumenten (aber selbst das ist keine Garantie!), aber sicherlich nicht, in dem man sich über sie lustig macht oder sie beleidigt.

Fühlt euch gedrückt,

Gabi